Mehr Tempo 30 ist möglich! – ein Antwort an die Straßenverkehrsbehörde

Die Veröffentlichung der Straßenverkehrsbehörde vom 16.2.2024 in werder-havel.de „Wo darf es Tempo 30 in Werder geben?“, wollen wir so nicht stehenlassen. Hier wird in gewissen Umfang die aktuelle Rechtslage wiedergegeben, allerdings ist vieles unvollständig und tendenziös.

Ebenso ist der beigefügte handgemalte Plan unvollständig bzw. zeigt Tempo-30-Bereiche auch da, wo es sie nicht gibt oder wo sie nur zu bestimmten Zeiten gelten.
Werder hat sich durch Beschluss der Stadtverordnetenversammlung das Ziel gesetzt, Tempo 30 überall dort einzuführen, wo es möglich und machbar ist. Daher sollte es Aufgabe der Straßenverkehrsbehörde sein, hier weitere Möglichkeiten zu finden und nicht aufzulisten, was alles nicht gehen könnte.

Straßen, bei denen problemlos Tempo 30 eingeführt werden könnte

So wären zuerst manche weitere Straßen zu nennen, bei denen schon jetzt recht problemlos Tempo 30 eingeführt werden könnte und sollte, z. B. in weiteren untergeordneten Nebenstraßen, wie dem Kugelweg oder in der Adolf-Damaschke-Str. bei den neuen Kitas. Besonders krass ist der Fall in Glindow: Seit Jahren wird vom Ortsbeirat auf Tempo 30 im Ortskern gedrängt. Aber selbst am Seniorenwohnheim nahe dem Kreisel zur Alpenstraße wurde es nicht eingeführt.
Solche und weitere, bereits jetzt bestehende Möglichkeiten, Tempo 30 anzuordnen, werden im Artikel gar nicht erwogen und daher auch nicht erwähnt.

Tempo 30 im Umfeld sensibler Einrichtungen wie Kitas

Die Anordnung von Tempo 30 zur Erhöhung der Verkehrssicherheit [§ 45 (1) S.1 StVO] setzt tatsächlich eine konkrete Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs voraus, nicht aber für besondere Gefahrenpunkte „im unmittelbaren Bereich“ sensibler Einrichtungen („Kindergärten, Kindertagesstätten, allgemeinbildende Schulen, Förderschulen, Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäuser“). Das wird zwar erwähnt, nicht aber, dass die Voraussetzung „im unmittelbaren Bereich“ nicht zwingend einen direkten Zugang in Form eines Eingangstors zur Straße verlangt! Im Einzelfall kann auch ein Eingang an einer Nebenstraße genügen, wenn durch die räumliche Nähe auch auf der Hauptstraße kritischer Verkehr begründet wird oder wenn dort andere relevante Bereiche (z.B. Nebeneingänge zu Turnhallen) liegen.1

Wenn im Straßenverlauf mehrere Einrichtungen aufeinander folgen und nur ein kurzer Streckenabschnitt (bis zu 300 Meter) dazwischen liegt kann zur Verstetigung des Verkehrsflusses eine durchgehende Beschränkung auch zwischen den beiden Streckenabschnitten in Betracht kommen.

Tempo 30 zum Lärmschutz

Die Möglichkeit der Anordnung von Tempo 30 zum Lärmschutz gem. § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO wird in der Veröffentlichung der Stadt völlig übergangen! Betroffene Anwohner – auch im Außenbereich – sowie Kommunen könnten dies bei der Straßenverkehrsbehörde beantragen, wenn der Lärm vom Straßenverkehr ausgeht. Voraussetzung ist eine besondere örtliche Gefahrenlage, die das allgemeine Risiko einer mehr als ortsüblichen Beeinträchtigung durch Lärm und Abgase erheblich übersteigt. Die Überschreitung eines bestimmten Schallpegels ist jedoch nicht erforderlich.

Tempo 30 kann auch durch Aufstellung von Lärmaktionsplänen angeordnet werden (europäische Umgebungslärm-Richtlinie42, durch §§ 47a ff. BIm-SchG umgesetzt) – auch davon kein Wort in der städtischen Veröffentlichung!
Auf dieser Grundlage könnten Kommunen Lärmaktionspläne aufstellen, die (großflächige) Tempo 30-Anordnungen auch unterhalb der Gefahrenschwelle für Anordnungen nach der StVO vorsehen.

Tempo 30 – denn Werder ist staatl. anerkannter Erholungsort

Die Möglichkeit Tempo 30 in besonders sensiblen Bereichen (§ 45 Abs. 1a StVO) anzuordnen, für die weniger hohe Anforderungen an die „Gefahrenlage“ zu stellen sind, wird auch nicht behandelt.
Das ist in Bade- und heilklimatischen Kurorten (Nr. 1), Luftkurorten (Nr. 2) – und in Erholungsorten möglich – Werder ist als solcher staatlich anerkannt ! – (Nr. 3). Zusätzlich besteht im Falle der Nr. 3 das Erfordernis der „besonderen Bedeutung“, bei dem den Behörden ein Beurteilungsspielraum zusteht. Auf welchen Ort, wenn nicht auf Werder (Havel), trifft dies zu?!

Mehr Mut und Gestaltungswillen!

Wir würden uns freuen, wenn in Werder Mut und Gestaltungswillen sichtbar würden. Den politischen Rückhalt hat die Stadt dafür. Denn die Stadt Werder ist durch Beschluss der Stadtverordnetenversammlung letztes Jahr dem Bündnis Lebenswerte Städte beigetreten ist – was leider im Beitrag mit keinem Wort erwähnt wird . Das Städtebündnis hat inzwischen schon über tausend Mitglieder (Kommunen) und setzt sich für eine zeitgemäße Reform des Verkehrsrechtes ein, die die im Artikel der Stadt beschriebenen Restriktionen für die Einführung von Tempo 30 aufheben soll.
Man versteckt sie sich stattdessen hinter dem bestehenden veralteten Verkehrsrecht, dessen Möglichkeiten man noch dazu nicht vollständig nutzt und das man höchst restriktiv auslegt, anstatt sich politisch dafür einzusetzen, es zu reformieren!

Die bereits vor längerer Zeit von uns erbetene Information „Wo sollte es Tempo 30 in Werder geben?“, wäre sinnvoller und nützlicher gewesen!

Stellungnahme der Verkehrswende und ADFC Ortsgruppe Werder

  1. vgl. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (im Folgenden: „VwV-StVO“) zu Zeichen 274, Rz. 13: Zitat: „…soweit die Einrichtungen über einen direkten Zugang zur Straße verfügen oder im Nahbereich der Einrichtungen starker Ziel- und Quellverkehr mit all seinen kritischen Begleiterscheinungen (z. B. Bring- und Abholverkehr mit vielfachem Ein- und Aussteigen, erhöhter Parkraumsuchverkehr, häufige Fahrbahnquerungen durch Fußgänger, Pulkbildung von Radfahrern und Fußgängern) vorhanden ist.“ ↩︎

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